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Wozu protokollieren wir unsere Gedanken und veröffentlichen sie in vielen Fällen sogar?

Früher haben viele Leute Tagebücher geschrieben. Das scheint irgendwie aus der Mode gekommen zu sein. (Oder vielleicht passiert es immer noch, aber bleibt meist verborgen.) Wer heute ein Mitteilungsbedürfnis hat, publiziert seine Gedanken zumindest jederzeit bequem über sein Smartphone in asozialen Medien. Wer noch ausführlicher Gedankengänge präsentieren will, macht sie in einem Blog oder gar Vlog öffentlich zugänglich. Vielleicht war der Wunsch unsere selbstverständlich einzigartig genialen persönlichen Gedankengänge zu veröffentlichen immer schon weit verbreitet, aber technisch schwer möglich bzw. zu kostspielig.

Kurz nach der Jahrtausendwende, noch bevor Blogs bei uns üblich waren, habe ich begonnen meine Hirngespinste online zu veröffentlichen. Das war mir möglich, weil ich zufällig relativ früh technisch dazu in der Lage war, und offensichtlich keine wichtigeren Inhalte zu verbreiten hatte.

Freilich habe ich das durch meine persönlich bewertete online-Filmsammlung ergänzt. Auch die Päsentation von Sammlungen ist nichts Ungewöhnliches. Zumindest hatte ich in diesem Kontext eine praktische Rechtfertigung für die Zurschaustellung, weil es so möglich war, anderen eine Übersicht über meine für den Verleih zur Verfügung stehende Filmsammlung zu geben. Und die Liste wurde tatsächlich immer mal wieder in dieser Funktion verwendet. So konnten meine Sozialkontakte sehen, was gerade verliehen war, und sich nur wegen Filmen bei mir melden, die sich tatsächlich gerade in meinen Händen befanden.

Funktion

Tagebücher dienen nicht nur dazu (meist ohnehin völlig irrelevante) Tagesabläufe zu protokollieren. Das Mitschreiben hilft vielen Menschen dabei ihre Erfahrungen mental zu verarbeiten. Der dabei verfasste Text kann immer wieder als Werkzeug benutzt werden, um nach Abschweifungen wieder den Faden aufnehmen zu können. Auf diese Weise können wir gründlicher reflektieren. Bei kreativ arbeitenden Personen kann ein ungefiltertes Aufzeichnen der Gedankengänge sogar dabei helfen Blockaden zu überwinden.

Sobald so erstellte Inhalte auch anderen zugänglich gemacht werden, kommen natürlich noch weitere Faktoren hinzu. Für mich bietet beispielsweise der Plan irgendwelche Texte auch anderen verfügbar zu machen, immer wieder einen Anlass das Geschriebene kritisch durchzugehen und weiter zu optimieren. Ich bemühe mich dann um eine leichter verständliche Sprache. Zusätzlich können andere natürlich Rückmeldungen zu jenen Inhalten geben, die wir ihnen zugänglich gemacht haben. Das erhöht unsere Chancen Fehler in unseren Konzepten zu finden und gibt uns die Möglichkeit unsere Ideen zu optimieren.

Selbstverständlich bringt eine Veröffentlichung auch Gefahren mit sich. Beispielsweise ist es nicht immer angenehm auf Fehler hingewiesen zu werden. Andererseits gibt es natürlich keine Garantie, dass andere Leute konstruktiv reagieren. Je ungefilterter und breiter wir unsere Gedankengänge veröffentlichen, umso leichter machen wir es anderen Ankerpunkte zu finden, wegen denen sie uns kritisieren können. Das können mitunter auch völlig unsachliche Angriffe sein. Wir sollten uns dessen bewusst sein, wenn wir Informationen publizieren.

Abgesehen davon werden heute praktisch alle Inhalte, die wir über elektronische Medien austauschen, automatisch erfasst und ausgewertet. Nur wenn wir uns gezielt um eine vertrauenswürdige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bemühen, können wir sicherstellen, dass zumindest am Weg zum Ziel unsere Informationen nicht gesammelt und archiviert werden.

Freilich ist das sowieso oft kein Thema, wenn wir sowieso planen unsere Inhalte öffentlich zugänglich zu machen. Trotzdem könnte es wichtig sein, selbst bei zur Veröffentlichung bestimmten Informationen nicht alle Metadaten preiszugeben. Sogar die Information, wann und von wo aus wir die Inhalte veröffentlicht haben, könnte beispielsweise problematisch werden, wenn wir uns aktivistisch gegen Missstände einsetzen und durch unseren Standpunkt und Sendezeitpunkt unabsichtlich Hinweise mitschicken, wann und wo unsere Aufdeckungsarbeit behindert werden könnte.