Vergleiche sind ganz bewusst keine Gleichsetzung.
Vergleiche machen wir bewusst zwischen verschiedenen Phänomenen, weil wir auf ähnliche Aspekte in diesen Fällen hinweisen wollen. Vergleiche sind also gezielt keine behauptete Gleichheit. Oft vergleichen wir Sachverhalte mit drastischen und sehr gut bekannten Phänomenen, um unser Argument anhand eines plakativeren Beispiels zu verdeutlichen.
Dennoch ist meiner Erfahrung nach die häufigste Kritik an Vergleichen, dass die verglichenen Phänomene in für den Vergleich nicht relevanten Hinsichten anders wären. Leider lassen sich viele Leute von derartigen Scheineinwänden täuschen. Meist geht das Argument mit einem Aufruf zur Schmähung und starker Empörung einher.
Wenn ich Leuten, die Vergleiche auf diese Weise attackieren, nicht unterstellen will, dass sie einfältig sind, dann kann ich eine derart begründete Ablehnung nur als lächerlich oberflächliches Ablenkungsmanöver verstehen. Mit dieser Emotionalisierung geht nämlich eine Verschiebung der Aufmerksamkeit einher. Es wird dann nicht mehr über das ursprüngliche Thema reflektiert, sondern alle konzentrieren sich auf die Verurteilung einer Gleichsetzung, die üblicherweise von der ursprünglich vergleichenden Person niemals gemacht wurde. Die Behauptung so einer Gleichsetzung ist also praktisch ein klassisches Strohmann-Argument.
Vergleiche abzulehnen, weil sie zwischen in manchen Aspekten oft sehr unterschiedlichen Phänomenen gezogen werden, erscheint mir daher meist als unlautere Manipulation und ein unredlicher rhetorischer Trick. Eine Person, die keine echten Argumente gegen die tatsächlich beabsichtigte Aussage hat, kann so bei ihrer Auffassung bleiben, ohne sich mit der über den ursprünglichen Vergleich transportierten Kritik auseinandersetzen zu müssen.
Ich möchte den weithin ebenso bekannten wie geschmähten Holocaust-Vergleich
genauer betrachten. Vor allem Leute in Amerika, die sich für den Tierschutz einsetzten, wollen in ihrer Verzweiflung anderen Leuten die unvorstellbare Barbarei der Tierausbeutung begreiflich machen, indem sie Tierfabriken mit den Vernichtungslagern der Nazis vergleichen. Sie wollen ausdrücken, dass die systematische Ausbeutung und Vernichtung von Lebewesen nicht nur bei Menschen völlig inakzeptabel ist.
Es wurde versucht den Vergleich auf rationaler Basis abzulehnen, weil die Motive für die völlige Missachtung der Bedürfnisse bei Tieren üblicherweise finanzieller Natur sind und bei Menschen in diesem Vergleich ideologischer Natur waren. Es ging in Vernichtungslagern darum Menschen zu töten, während es in Tierfabriken darum geht, Tiere maximal auszubeuten. Der Ausbeutungsaspekt war zwar teilweise sicher auch in Vernichtungslagern gegeben, wenn zum Beispiel an den Betroffenen schädliche Versuche durchgeführt wurden, aber das wesentliche Ziel war die Vernichtung dieser Menschen, während wir Tiere ja sogar züchten, um sie derart misshandeln und ausbeuten zu können.
Allerdings wollen die Leute, die diesen Vergleich benutzen, ja üblicherweise nicht darüber diskutieren, mit welchen Begründungen es eventuell angemessen wäre, derartig mit Lebewesen zu verfahren, sondern es geht darum, an einem allgemein anerkannt drastischen Beispiel aufzuzeigen, dass Tierfabriken nach praktisch nahezu beliebigen ethischen Standards inakzeptabel sind.
Was üblicherweise aber gegen diesen Vergleich ins Feld geführt wird, ist eine offensichtlich absichtliche Umkehr der Intention. Vermutlich von Leuten, die sich die Tierausbeutung nicht schlecht reden lassen wollen. Sie empören sich darüber, dass hier Menschen mit Tieren gleichgesetzt würden. Weiters wäre der Holocaust komplett einzigartig und dürfe niemals mit anderen Dingen verglichen werden. Offenbar schon gar nicht mit einer Praxis, die sie implizit schon deswegen nicht als derart meidenswert wie Vernichtungslager anerkennen können, weil sie selbst Tierprodukte konsumieren oder sogar selbst von der Tierausbeutungsindustrie leben. Sie behaupten dann deshalb, dass dieser Vergleich eine menschenverachtende Verharmlosung wäre. Allerdings fußt dieses Argument eben auf einer absurden Umkehr der ursprünglichen Intention des Vergleichs: Die Leute, die diesen Vergleich anstellen, wollen nicht sagen, dass der Holocaust genauso normal wie Tierfabriken wäre, sondern im Gegenteil, dass wir Tierfabriken als genauso inakzeptabel wie den Holocaust einstufen sollten.
Weil sich die Gemüter durch diese absurde Umkehr der Intention so sehr über diesen Vergleich erhitzen, verfehlt er zumindest in Österreich komplett sein Ziel. Wer ihn benutzt, gibt Leuten, die die Tierausbeutung beibehalten wollen, eine willkommene Ausflucht, um vom für sie unbequemen Thema der Tierausbeutung abzulenken. Sie können sich durch den Vergleich als rechtschaffene Menschen profilieren, die entschlossen gegen vermeintlich geheime Antisemiten bzw. Misanthropen vorgehen, anstatt sich der eigentlich beabsichtigten Kritik der grausamen Praktiken der Tierausbeutung stellen zu müssen.
Eine redliche Auseinandersetzung mit einem Vergleich würdigt, welche Aspekte der Phänomene verglichen wurden. Nur wenn klar dargelegt werden kann, wieso die vermeintlich ähnlichen Aspekte unterschiedlich sind, ist es vernünftig, den Vergleich als unpassend abzulehnen. Ihn aber abzulehnen, weil für den Vergleich irrelevante Aspekte unterschiedlich sind, verlässt die Sachebene und trägt nichts zur Klärung des ursprünglichen Themas bei.