Wie religöser Glaube unser aller Wohlbefinden gefährdet.
Der Begriff Glaube scheint zumindest zwei wesentliche Bedeutungen zu haben. Jener, der bloß meint, etwas für wahr zu halten, scheint mir der ursprüngliche und relevante Begriff. Wer etwas für wahr hält, kann durch entsprechende Fakten vom Gegenteil überzeugt werden.
Die zweite Bedeutung wird auf eine religiöse Überzeugung bezogen. Glaube in diesem Sinne ist immun gegen Widerlegung und damit irrational. Vernunft hat keinen Einfluss auf ihn und er wird als absolut und unantastbar vorausgesetzt. Keine Umstände und kein Geschehen können ihn entkräften.
Glaube in diesem Sinne erscheint mir zutiefst problematisch. Menschen sind von religiösen Doktrinen dazu aufgerufen, ihrem Glauben völlig blind zu folgen. Und diese religiösen Lehren enthalten oft höchst asoziale Verhaltensanweisungen. Nicht selten wird darin dazu aufgerufen Ungläubige zum Glauben zu bekehren oder ihnen gar Schaden zuzufügen, weil sie eben diesen Glauben nicht teilen.
Ich kann nicht nachvollziehen, wie es so vielen Menschen überhaupt gelingt, einen derartig unbedingten Glauben zu etablieren. Besonders weil wesentliche Glaubensinhalte komplett beliebig sind. Wie etwa die Behauptung der Existenz von irgendwelchen unsichtbaren Göttern, die auf ebenso beliebige Weise unseren Alltag gestalten. Allein der Wunsch, an solche seltsamen Geschichten zu glauben, erscheint mir völlig verrückt.
Manche wissenschaftliche Theorien sind wohl nicht weniger seltsam. Allerdings unterscheiden sie sich von religiösen Vorgaben dadurch, dass sie die einfachst möglichen Erklärungsversuche für Jene Phänomene sind, die wir tatsächlich beobachten können. Und wir passen unsere wissenschaftlichen Theorien auch an, wenn wir bemerken, dass neue Beobachtungen nicht mit unseren vorläufigen Erklärungen übereinstimmen. Diese Methodik ist die Basis unseres Wohlergehens. Durch sie können wir unsere Umwelt so gestalten, dass wir möglichst befriedigend in ihr leben können. Freilich machen wir laufend Fehler und es würde uns allgemein helfen vor- und umsichtiger zu agieren. Doch die maximale Ignoranz und Sturheit ist ein Glaube, den wir absichtlich nicht an die Abläufe in unseren Leben anpassen.
Anscheinend finden aber viele Menschen erheblichen Trost darin, beliebige Geschichten als gewiss anzuerkennen. Es verschafft vielen wohl eine Art Befriedigung, sich auf irgendwelche Grundsätze verlassen zu können – selbst wenn bei einer vernünftigen Hinterfragung solcher Grundsätze klar zu Tage tritt, dass niemand derartige Gewissheiten haben kann.
Als ich über Konflikte reflektierte, habe ich daran gezweifelt, dass es welche gibt, für die keine Lösungen gefunden werden können. Ich fürchte, dass religiöse Überzeugungen – und andere Wahnvorstellungen, wie beispielsweise Verschwörungstheorien – eine Ausnahme sind. Denn alle haben gemein, dass sie nicht durch Erfahrungen veränderlich sind. Individuen, die an solche Dinge glauben, haben keinen Weg diesen Überzeugungen zu entkommen, da sie den Verstand ablehnen, obwohl er unser einziges Werkzeug ist, aus unserer Erfahrung zu lernen.
Mir ist bewusst, dass unsere Rationalität auf sehr bescheidenen Beinen steht, und dass sie uns bei genauerer Betrachtung zwingt, ohne Gewissheiten auszukommen, und nur mit Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten. Wir können rational keine Sicherheiten gewinnen. Wir können nur unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten gegen einander abwägen. Aber was nicht ins jeweilige Bild von Gläubigen passt, wird als Lüge oder Täuschung abgetan. Selbst wenn nicht plausibel erklärlich ist, wie diese vermeintlichen Trugbilder entstehen.
Aus dem Umstand, dass unsere gesicherte Erkenntnis sehr bescheiden ist, scheint nur oberflächlich betrachtet Agnostizismus zu folgen. Aber bei näherer Betrachtung ist die Konsequenz nicht, dass alle Erklärungstheorien gleich wahrscheinlich sind, sondern dass jede spezifische Erklärung völlig aus der Luft gegriffen sein muss. Dem entsprechend ist es unvernünftig beliebige Religionen (und andere Phantasien) als gleich relevant als vernünftige Schlüsse einzustufen. Über unsere Vernunft erschlossene Theorien geben uns Handlungsoptionen während Dinge, an die wir unabhängig von ihrer funktionalen Bedeutung glauben sollen, umgekehrt von uns erfordern, dass wir unsere Beobachtungen und Erfahrungen entsprechend umdeuten.
Gläubige Leute fragen nicht, wie ein Blitz funktioniert, sondern sie fragen, warum Gott zornig ist. Sie setzen eine beliebige Erklärung voraus, und zerstören durch diesen Bruch der Methode die Nützlichkeit unserer Vernunft. Sie funktioniert als Werkzeug, um uns einem besseren Verständnis unserer Erfahrungswelt anzunähern. Deswegen ist es essenziell, dass jede Erklärung hinterfragt werden und bei Bedarf völlig verworfen werden kann. Religiöse Überzeugungen werden aber als absolut vorausgesetzt und blockieren auf diese Weise unser einziges Wekzeug zur schrittweisen Erschließung unserer Realität.
Zur Lösung von Konflikten brauchen wir eine gemeinsame Basis. Denn ohne sie ist es nicht möglich, unsere Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Meine Überlegungen zu Ethik und Glück basieren auf der banalen Einsicht, dass wir als biologische Lebensformen alle sehr ähnliche Bedürfnisse haben. Zusätzlich ist offensichtlich, dass wir leichter für uns angenehme Bedingungen schaffen können, wenn wir kooperieren, anstatt gegen einander zu arbeiten.
Wenn wir mit Leuten zu tun haben, die die praktische Vernunft nur dort akzeptieren, wo sie ihnen unmittelbar erwünschte Resultate liefert, fehlt uns die gemeinsame Basis für das Erfolgsrezept Zusammenarbeit.
Weil unser Wohlergehen – besonders in einer weltweit vernetzten Gesellschaft – so sehr von einer gemeinsam angewendeten Vorgehensweise abhängt, erschüttert es mich immer wieder zu erleben, wie viele von uns laufend irrational in Widersprüche stolpern. Wenn wir nicht unsere gegenseitige Abhängigkeit und Ähnlichkeit anerkennen, driften wir in überflüssige und völlig vermeidbare selbstzerstörerische Konflikte.